Richard Wagner

Problemkind Richi Wagner: Erfinder des Heavy Metal?

Redaktion Laura Tenchio
Redaktion Laura Tenchio

Richard Wagner schrieb in der Limmatstadt eines seiner wichtigsten Werke. Opernhaus und Schauspielhaus zeigen Neuinszenierungen seines «Rings».

Die Villa Wesendonck im Rieterpark Zürich, ehemalige Wohnstätte Wagners
Die Villa Wesendonck im Rieterpark Zürich, ehemalige Wohnstätte Wagners

Mit ihrer Hilfe veranstaltete Wagner erstmals eine öffentliche Lesung seines aus vier Teilen bestehenden Opernzyklus «Ring des Nibelungen», die über vier Abende im Baur au Lac stattfand. Zürich ist also der Ort, den Wagner von einem geflüchteten Kapellmeister zum angesehenen Dirigenten aufsteigen liess. Heute wird er als «genialer» Komponist beschrieben, der aus kleinen Verhältnissen kam und es mit seiner Musik schlussendlich in die Höfe der Kaiser und Könige schaffte. Der WDR schreibt zum Beispiel, Wagner sei ein «Visionär als Künstler, untauglich als Geschäftsmann, schwierig im privaten Umgang» gewesen. Und diese Ambivalenz ist es wohl, die noch heute fasziniert. 

Noch herausfordernder als Wagners Wesen ist laut dem Zürcher Opernhaus die Produktion eines neuen «Rings». Die vier Werke erfordern besonders viel künstlerische Erfahrung und lange Vorbereitungszeiten – was nicht verwundert: Würde man sich nämlich alle vier ohne Pause am Stück geben, sässe man knapp 16 Stunden auf einem der Klappsessel in der Oper. Und gerade dieses Mammutprojekt hat sich das Opernhaus Zürich nun zu Herzen genommen. Ab dem 30. April startet die Premiere des ersten Teils «Das Rheingold». Die weiteren drei Teile folgen dann ungefähr im Halbjahrestakt bis ins Jahr 2024.

Wagner ist nun mal «intense». Seine Musik genauso. Gleichzeitig Schriftsteller, Dichter, Komponist und Regisseur, erfand Wagner mit seinen Musikdramen eine neue Gattung. Mit seiner «absichtsvollen Musik» hatte er eine bis dahin nicht gekannte «psychologische Wirkung» bei Zuhörer:innen. Und hat die zeitgenössische Filmmusik, wie wir sie heute kennen und lieben, massgebend beeinflusst. Kult-Regisseure wie Francis Ford Coppola oder Lars von Trier zum Beispiel haben für ihr Sounddesign gerne auf Wagner zurückgegriffen. Zudem gibt es sogar Stimmen die behaupten, Richard Wagner hätte den Heavy Metal erfunden.

Dennoch schwingt eine Menge Unmut mit, wenn Wagner im heutigen Diskurs zur Sprache kommt. Es ist kein Geheimnis, dass er ein Antisemit war, seine jüdischen Kollegen wie Felix Mendelssohn Bartholdy und Giacomo Meyerbeer verachtete und germanische Heldensagen feierte. Dadurch wurde er laut dem WDR «noch zu seinen Lebzeiten sogar zum Lieblingskomponisten und Vordenker fast aller nationalistisch gesinnten Deutschen». Dass dann Wagners Familie nach seinem Tod eine enge Beziehung zu Adolf Hitler pflegte, ist für sein Image auch nicht hilfreich. Einige stellen sich auf die Barrikaden, wenn Stücke von Wagner aufgeführt werden sollen. So einflussreich seine Musik auch ist, diese zutiefst problematischen Assoziationen dürfen nicht in Vergessenheit geraten.

Diese Einschätzung teilt auch der deutsch-türkische Schriftsteller Necati Öziri, der gerade eine Korrektur von Wagners «Ring des Nibelungen» im Schauspielhaus zeigt. Das Original bedient eine ganze Reihe fragwürdiger Ideologien wie beispielsweise die Rassenlehren oder den Sozialdarwinismus. Öziris Interpretation setzt sich damit auseinander, wie wir mit so einflussreichen, alten Werken korrekt umgehen sollen. Die Geschichte hat schliesslich gezeigt, dass verbrennen und vergessen auch keine Lösung ist. Was wir allerdings tun können – und auch sollten – ist, die Vergangenheit aufzuarbeiten und dafür zu sorgen, dass dasselbe in Zukunft nicht wieder geschieht. Also hat Öziri Wagners ursprüngliche Dichtung korrigiert. In Zusammenarbeit mit weiteren Künstler:innen und Musiker:innen ist ein moderner «Ring» entstanden, der die klassische Musik mit Hip Hop und anderen Genres ersetzt und den man sich ohne schlechtes Gewissen ansehen kann – egal ob man sich eher für die polarisierende Thematik rund um Wagner interessiert oder politische Korrektheit als den heiligen Gral aller Dinge sieht.

Von Laura Tenchio am 21. Februar 2022 veröffentlicht.

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