Sprachenland Schweiz

Redaktion Gretta Bott
Redaktion Gretta Bott

Als zweisprachig aufgewachsene Person war ich auf «Sprachenland Schweiz» im Landesmuseum gespannt. Mein durchmischtes Fazit.

Die Ausstellung «Sprachenland Schweiz» nimmt Besuchende mit auf eine Zugfahrt durch die Sprachlandschaft der Schweiz. Darum erinnert der Eingang an eine Bahnhofshalle. Wer die alte HB-Anzeigetafel vermisst: Sie begrüsst momentan zu ebendieser Ausstellung. Mit Kopfhörern bestückt, beginnt die Reise. Und damit meine Pro-Argumente:

Pro:

_ Technisch ist die Ausstellung super umgesetzt. Besuchende bewegen sich frei im Raum und je nachdem, an welcher «Audioinsel» sie sich befinden, verändern sich die akustischen Informationen entsprechend.

_ Es wird offensichtlich: Die Schweiz ist ein Sprachenland und die Schweizer Kultur ist vielfältig. Das wird durch das Sprachengewirr, das zwischen den einzelnen Stationen zu hören ist, veranschaulicht. Wir Schweizer sind uns gewohnt, andere Sprachen zu hören, sie zu lernen oder uns zumindest damit auseinanderzusetzen. Wir reisen nicht nach Mallorca und erwarten, dass alle Deutsch sprechen.

_ Obschon die Ausstellung recht nüchtern konzipiert ist, birgt sie auch viele emotionale Momente. Als ich im Rätoromanischen Teil unverhoft «Chara lingua da la mamma» höre, bekomme ich automatisch Gänsehaut. Viele Tonbeispiele, alte Schulhefte, Spielkarten etc. veranschaulichen die gelebte Vielsprachigkeit der Schweiz.

_ Die Kurzfilme am Ende der Ausstellung: Hier erklärt bspw. Schriftsteller Usama Al Shahmani, wann er für die Lyrik seine Mutter- und Herzenssprache Arabisch verwendet und wann das Deutsche für ihn die richtige Ausdrucksweise ist.

_ Auch an Gehörlose und die Gebärdensprache ist in den Kurzfilmen gedacht: Pirmin ist visueller Gestalter beim Schweizerischer Gehörlosenbund SGB-FSS und ist selbst gehörlos. Er erklärt, dass in der Schweiz drei Gebärdensprachen verwendet werden, und wie visuell und mimisch diese sind. Ich frage mich, wie die Ausstellung für gehörlose Personen funktionieren mag. In der Ausstellungsbeschreibung wird hingewiesen, dass es Unterstützung gibt, nur würde ich aus reiner Neugier gerne wissen, was das konkret bedeutet bei einer Ausstellung, die rein über das Gehör stattfindet.

Kontra:

_ Nie wieder an einem Sonntag! Viel zu viele Menschen kommen sich viel zu nahe. Um die Audiodeskriptionen zu hören, müssen Interessierte auf eine bestimmte Nähe zu einem Ausstellungsstück herantreten. Wer Nähe zu Fremden also nicht so mag, besucht die Ausstellung wochentags.  

_ Aufgrund der reinen Audioführung und der zu vielen Personen habe ich ein paar Stationen ausgelassen und weiss nun nicht, ob ich etwas verpasst habe? Ich fände ergänzende Erklärungen, ein Handout zum Mitnehmen etwa, sehr hilfreich. Die Geschichte der einzelnen Sprachen hätte ich gerne in Ruhe zu Hause nachgelesen. 

Fazit:

Die Ausstellung ist technisch gut gemacht und ich empfinde sie als geeignet für alle, die nicht mehrsprachig aufgewachsen sind, die die Schweiz noch nicht gut kennen und für Schulklassen. Mir persönlich jedoch fehlt etwas der Tiefgang und die Diskussion: Dass alle Schweizer:innen sich die Vielsprachigkeit gewohnt sind, heisst bspw. nicht automatisch, dass sie andere Sprachen und damit Kulturen gegenüber offener eingestellt sind als andere Länder. Als Rätoromanin in Zürich höre ich oft, wie schön meine Muttersprache klingt. Aber dass die Sprache subventioniert wird, verstehen oder unterstützen manche nicht. Das wäre doch eine Diskussion wert. Oder wie die Tessiner:innen und Romands in der Deutschschweiz und umgekehrt wahrgenommen werden, könnte auch in einem Plenum besprochen werden.

Durch die reine Audio-Führung gehen die Besuchenden aber still und eigentlich sprachlos durch die Ausstellung, was ich sehr schade finde. 

Von Gretta Bott am 16. November 2023 veröffentlicht.

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